Ökologisches Dämmen: Innovative Materialien sind auf dem Vormarsch

FenX Studio FINAL
Bild: FenX

Dämmplatten aus recyceltem Baugruben-Material, ein Dämmstoff aus gezüchteten Pilzfasern oder pflanzliches Isolationsmaterial, das CO2 dauerhaft bindet: Nachhaltigkeit ist längst auch in der Baubranche ein wichtiges Thema, insbesondere, wenn es um energetisches Sanieren geht.

Dämmplatten aus recyceltem Baugruben-Material

Mitten in einer alten Spinnerei im aargauischen Turgi stellt das ETH-Spin-off FenX aus 95 Prozent Luft und ein bisschen Baugruben-Erde nachhaltige Dämmplatten her. Was banal klingt, ist in Wirklichkeit das Resultat mehrjähriger Forschungsarbeit von FenX-Mitgründer und CEO Etienne Jeoffroy und seinem Team. Der Dämmstoff wird unter anderem aus mineralischen Abfallstoffen hergestellt, wie beispielsweise dem Aushubmaterial, das bei Neubauten anfällt. Die Dämmplatten können im Gegensatz etwa zu Steinwolle bei Raumtemperatur praktisch ohne CO2-Emissionen hergestellt werden. Sie sind nicht brennbar und weil es ein mineralischer Dämmstoff ist, lässt er sich am Ende wieder recyceln. «Die Dämmplatte ist für den Einsatz in Kompakt- und hinterlüfteten Fassaden vorgesehen. Ebenfalls vorstellbar ist der Einsatz in bestimmten Anwendungen der Innendämmung», heisst es bei FenX. Beispielsweise sei der Dämmstoff ideal geeignet bei energetischen Sanierungen von Kellerdecken und Innenwänden.

Lokale Betriebe produzieren und verbauen

Etienne Jeoffroy und seine Mitstreiter gründeten FenX 2019. Heute, vier Jahre danach, stehen die Paletten mit den Dämmplatten bereit und erste Pilotprojekte laufen auf Hochtouren. Ziel des Unternehmens ist es, die Produktion ab 2024 in grossem Stil anzugehen. Die Idee der Gründer: FenX verkauft Produktionsanlagen und vergibt Franchise-Rechte zur Herstellung der Dämmplatten an Dritte. So können lokale Betriebe den mineralischen Abfall aus Baugruben und Kieswerken vor Ort zum wertvollen Dämmstoff verarbeiten.

Dämmen mit Pilzen

Ortswechsel: Weiter nördlich in Basel befindet sich das Startup Mycrobez. Hier tüfteln die drei Gründer Mosas Pilscheur, Jonas Staub und Moritz Schiller unterstützt von ihrem 15-köpfigen Team an Dämmplatten und Verpackungen aus Pilzen. Der natürliche Schaumstoff besteht aus dem Myzel, also dem Wurzelgeflecht aus fadenförmigen Zellen, das in der Erde wächst. Genährt wird dieses Myzel mit biologischen Abfällen. Der organische Abfall wird mit Pilzsporen versetzt, die dann innerhalb weniger Tage das Wurzelgeflecht bilden. Es entsteht das sogenannte Myzelkomposit, das in die gewünschte Form gegossen und anschliessend im Ofen gebrannt wird. «Unser Ziel ist es, einen Dämmstoff herzustellen, der den höchsten Anforderungen gerecht wird, sei es beim Brandschutz oder dem Dämmwert, dabei jedoch zu 100 Prozent plastikfrei ist», sagt Moritz Schiller. Verläuft alles nach Plan wird ein erstes Pilotprojekt, eine öffentliche Halle, Ende 2023 mit den Mycrobez-Platten gedämmt. Anfang 2026 ist der Markteintritt geplant.

Kompostieren statt wegschmeissen

In Sachen Nachhaltigkeit hat der Mycrobez-Dämmstoff gegenüber den erdölbasierten Dämmmaterialien einen weiteren wichtigen Vorteil: Das natürliche Material lässt sich einfach kompostieren.

Dämmen mit Pflanzenkohle

Der neuste Forschungswurf an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA klingt vielversprechend. Jannis Wernery vom «Building Energy Materials and Components Lab» und sein Team, wollen aus Pflanzenkohle einen Dämmstoff herstellen. Denn Pflanzenkohle bindet den Kohlenstoff aus dem Pflanzenmaterial langfristig. Wird das Haus eines Tages ersetzt, lässt sich die Pflanzenkohle respektive das Dämmmaterial beispielsweise auf dem Acker oder im Gemüsebau zur Bodenverbesserung verwenden. «Eine erste Analyse zeigt, dass sich durch einen realistischen Teilersatz konventioneller Dämmstoffe durch Pflanzenkohle gut eine halbe Million Tonnen CO2-Äquivalente jährlich einsparen liesse», schreibt die EMPA in einem Communiqué. Dies entspricht gut einem Prozent der gesamten Schweizer Treibhausgasemissionen. Allerdings stehen Jannis Wernery und sein Team noch ganz am Anfang. Wann dieser innovative Dämmstoff Form annimmt, ist noch völlig offen.

Umweltbewusstsein spielt den Startups in die Hände

Ob nun aus Pilzen oder Aushubmaterial aus der Baugrube, solche innovativen Dämmstoffe sind gefragt. Denn wegen ihrer hohen Treibhausgas-Emissionen und Umweltbelastung rückt die Bauindustrie immer mehr in den Fokus der öffentlichen Debatte. Urs Hanselmann vom Verband Gebäudehülle Schweiz bringt es auf den Punkt: «Allen in der Baubranche ist bewusst, dass Bauen umweltfreundlicher werden muss.» Dabei geht es nicht nur um eine energieeffiziente Bauweise, sondern auch um die verbauten Materialien. Je weniger Energie bei der Produktion eines Baustoffes eingesetzt wird, umso geringer ist seine Umweltbelastung. Dass tatsächlich einiges in Bewegung ist, zeige sich auch daran, dass die offiziellen Ökobilanzdaten im Baubereich stetig zunehmen. Das Dokument vom Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) weist jegliche Umweltbelastung inklusive Treibhausgas-Emissionen eines Materials aus – und zwar über den gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung. «Mit diesen Daten können Planende besser einschätzen, wie stark ein Material die Umwelt und das Klima belastet im Vergleich zu einem anderen Material. Dadurch werden Entscheidungen zu Gunsten der Umwelt überhaupt erst möglich», erklärt Hanselmann.

Preis bestimmt die Nachfrage

Die Dämmstoffe von Mycrobez und FenX sind hier allerdings noch nicht erfasst, da sie sich noch in der Entwicklung beziehungsweise kurz vor Markteintritt befinden. Ihre Umweltbelastung dürfte aber deutlich geringer ausfallen als diejenige vieler herkömmlicher Dämmstoffe. Urs Hanselmann sieht denn auch grosses Potenzial in den beiden Dämmstoffen. Zwei Faktoren sind dabei relevant: «Zum einen sollten sie preislich mit gängigen Dämmstoffen mithalten können, zum anderen muss natürlich die Qualität stimmen», sagt Hanselmann. Denn wie in vielen Bereichen entscheide letztlich der Preis über die Nachfrage. Das ist auch den Startup-Gründern klar. So will man bei Mycrobez den Dämmstoff auf ein preisliches Niveau bringen, das mit günstigen Dämmstoffen wie etwa Polyuretan oder Expandiertes Polystyrol mithalten kann. Ähnlich bei FenX: Die Herstellungsmethode und der Umstand, dass der Rohstoff für die Dämmplatten aus lokalem Abfallmaterial bestehen, machen diesen innovativen Dämmstoff preislich sehr attraktiv.

Nachhaltige Alternativen thematisieren

Darüber hinaus sei auch entscheidend, ob der zuständige Architekt oder die Fassadenfirma sich für nachhaltige Lösungen interessiere und auf dem neusten Stand sei, sagt Hanselmann. «Fragen Sie ruhig nach nachhaltigen Alternativen, wenn sie das Gefühl haben, einfach die Standardlösung empfohlen zu bekommen.» Wer sein Haus oder auch nur den Estrichboden isolieren möchte, findet auf dem Markt bereits zahlreiche nachhaltige Dämmstoffe. Beliebt sind bisher vor allem organische Dämmstoffe aus Schafwolle, Kork, Hanf oder Flachs. Bald könnte hier ein weiteres natürliches Dämmmaterial dazukommen: Pflanzenkohle.

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